Leseprobe aus

SIEBEN - Der Teufel und die Pfaffenmütz

 Heute Abend hatte er schon sehr früh alles verschlossen. Er war mit dem Essen fertig und wollte noch etwas in der Bibel lesen, als es klopfte. Kampus reagierte nicht. Starr vor Entsetzen saß er in seinem Sessel. Er erwartete keinen Besuch. Es klopfte noch einmal, heftiger als zuvor. Dann hörte Johann Kampus eine Stimme. Er löste sich aus seiner Starre und wagte sich zu einem Fenster. Vorsichtig lugte er zwischen dem Fensterladen hindurch nach draußen. Dort stand Philipp Quantzipp und hämmerte jetzt mit beiden Fäusten gegen die Tür. »Johann Kampus, öffnet die Tür. Ich weiß, dass Ihr da seid. Ich will doch nur mit Euch reden.«

Der Bauer sah sich um und sah in Richtung Fensterladen, hinter dem sich Johann verbarg. Erschrocken presste sich Kampus an die Zimmerwand und rührte sich nicht. Er dachte nach. Verzweiflung lag in der Stimme des Landwirts. Der Geldverleiher überlegte fieberhaft, ob er nicht doch öffnen sollte. Schweißperlen traten ihm dabei auf die Stirn. Noch einmal warf er einen Blick nach draußen. Außer dem Landwirt war niemand zu sehen. Dann entschied er sich zu öffnen. Er packte den Riegel der Tür, als er wieder eine Stimme hörte. Doch diesmal war sie hinter ihm. Sein Herz raste und schlug ihm fast zum Hals hinaus. Johann Kampus wagte es nicht, sich zu rühren.

»Seid Ihr etwa überrascht? Ich hatte doch gesagt, dass ich wieder komme.«

Johann Kampus schlotterte am ganzen Leib. Langsam drehte er sich um und blickte in das jugendliche Gesicht des Fremden, der ihn eisig anlächelte.

»Wie seid Ihr hier reingekommen?« stieß Kampus hervor.

»Ach das war eine Kleinigkeit.« Der Fremde lachte zynisch. Seine Hände trugen lederne Handschuhe. Er trug auch Reitstiefel, an denen silberne Sporen glänzten.

»Was wollt Ihr?« Die Stimme des Geldverleihers war angsterfüllt. »Habt Ihr das etwa vergessen? Schämt Euch. Ich bin hier, weil ich Antworten will. Nun? Was habt Ihr mir zu sagen?« Johann Kampus überlegte fieberhaft. Dann fielen ihm die Worte Dittmaierswieder ein.
»Wie viel wollt Ihr?«

»Bitte?« Der Fremde tat irritiert.

»Nennt mir Euren Preis. Ich gebe Euch alles, was Ihr wollt. Aber bitte, lasst mich dann in Frieden.«

Der Fremde lachte laut auf. Für Kampus war es das Lachen eines Teufels.

»Treibt keine Scherze mit mir, Geldverleiher. Das könnte Euch teuer zu stehen kommen.«

»Das war kein Scherz. Ich meine es ernst. Was wollt Ihr von mir?« Der Fremde kam jetzt ganz nah an Kampus heran.

»Namen, ich will nur einen Namen!«

Plötzlich fühlte Kampus einen Beutel in seiner Hand. »Es sind 30 Silberlinge. Ein Judaslohn für einen Judas. Also, was ist mit dem Namen?«

»Ich, ich habe alles versucht. Aber ich konnte keinen Namen in Erfahrung bringen«, stotterte der Geldverleiher in Todesangst. Sein Gesicht war nass von Schweiß, der ihm unaufhörlich von der Stirn tropfte.

»Mit wem habt Ihr gesprochen?«

»Dittmaier, Balthasar Dittmaier. Er ist Geheimer Rat am Hof zu Bonn.« »Aber das ist doch schon mal ein Name.«

Kampus nahm die Reaktion des Fremden erleichtert auf. Vor lauter Angst hatte er sich inzwischen in die Hosen gepinkelt. Der Fremde lachte von neuem und auch Johann Kampus versuchte ein zaghaftes Lächeln.

»Nur ist es nicht der richtige Name! Darum fresst das Geld! Los, Ihr sollt es fressen!« Die Stimme des Fremden hatte plötzlich eine ungewohnte Schärfe und Brutalität.

Johann Kampus schluckte eine Münze nach der anderen hinunter. Es war ein schreckliches Gefühl im Hals. Bei der vorletzten verschluckte er sich und bekam kaum noch Luft. Er hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Röchelnd fiel er auf die Knie. Hilfe suchend blickte er den Fremden an. Der hatte jählings eine Armbrust in der Hand, die bisher unter seinem weiten Mantel verborgen war. Entsetzt riss Kampus die Augen auf und streckte dem Fremden abwehrend eine Hand entgegen. Doch es war zu spät. Ein Bolzen hatte sich bereits in seine Stirn gebohrt und ihm das Lebenslicht geraubt.



*

Der Landwirt stand immer noch vor Kampus' Haus und wartete auf Einlass. Der Geldverleiher musste zuhause sein, denn er konnte deutlich Stimmen hören. Schließlich hörte er einen erstickten Schrei. Furcht packte ihn unversehens und ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Was ging dort im Haus vor? Philipp überlegte krampfhaft, was er jetzt tun sollte. Sollte er gehen und unverrichteter Dinge den Heimweg antreten? Oder sollte er Hilfe holen? Nein, den Gedanken verwarf er sofort. Man würde ihn doch gleich wieder verdächtigen. Wie angewurzelt blieb er stehen. Sekunden, Minuten verrannen wie im Flug. Philipp Quantzipp war nicht in der Lage, sich zu rühren. Vor lauter Angst verlor er jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Er wusste nicht, wie lange er schon da gestanden hatte, als sich die Haustür vor ihm öffnete.

Doch nicht Johann Kampus trat hinaus, sondern der Bauer blickte in das bleiche Gesicht des Fremden, den er damals schon gesehen hatte, als er mit Peter Belling stritt. Der Fremde starrte ihn mit seinen pechschwarzen Augen an. Philipp fühlte, wie sein Blut zu kochen begann. Der Fremde verzog sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze und lachte diabolisch auf. Er stieß den Landwirt beiseite und verschwand in der Dunkelheit.

Als sich Philipp von seinem Schrecken erholt hatte, wagte er es, vorsichtig das Haus zu betreten. Er zitterte, denn ein beklemmendes Gefühl sagte ihm, dass irgendetwas nicht stimmte.

»Kampus? Johann Kampus, wo seid Ihr?« rief er leise und ging zögerlich weiter. Als er die Küche betrat, stieß er vor Entsetzen einen Schrei aus. Der Geldverleiher hing in zwei Teilen von der Decke herab. Der Unterleib war mit den Füßen an den Balken festgebunden, der abgetrennte Oberkörper war an den Armen am Deckenbalken befestigt. Quantzipp spürte, wie die Übelkeit in ihm aufstieg. Er drehte sich um und rannte zur Tür hinaus, um sich zu übergeben, direkt in die Arme von Franziskus Buirmann, des Hexenjägers.

»Ah, da seid Ihr ja. Schön, Euch zu treffen, Bauer. Aber sagt, warum habt Ihr es so eilig?« Buirmann hatte Philipp Quantzipp am Kragen gepackt. Der schlotterte wie Espenlaub und ihm sackten die Beine weg. In seinen Augen stand das nackte Grauen geschrieben.

»Ich habe den Tod gesehen, Herr. Den Tod«, wisperte er leise stotternd.

»Was faselt Ihr da für ein dummes Zeug? Männer, geht rein und seht nach, was im Haus geschehen ist«, befahl Buirmann, der jetzt den heulenden Bauern losließ. Angeekelt wandte er seinen Blick von Philipp ab, der wie ein Häufchen Elend zur Erde sank und sich erbrach. Der Kommissar schaute zum Haus. Einer der Männer stürzte hinaus.

»Herr, das müsst ihr Euch ansehen. Es ist einfach grauenhaft.«

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